Zum Jahreswechsel steht der Arbeitnehmer häufig vor der Frage:
Ich habe doch noch Resturlaub – Droht zum Jahreswechsel der Urlaubsverfall?
Rechtslage nach dem Bundesurlaubsgesetz (BUrlG)
Die Rechtslage nach dem Bundesurlaubsgesetz (§ 7 Abs. 3 BUrlG) sah ursprünglich vor, dass der Resturlaub grundsätzlich zum Jahresende verfällt. Ein Anspruch auf bezahlten Urlaub entstand für den Arbeitnehmer dann nicht mehr. Eine Urlaubsübertragung war insoweit nicht vorgesehen.
Dies macht natürlich auch Sinn, wenn man sich vergegenwärtigt, dass der Urlaub des Arbeitnehmers zur Erholung dienen soll. Urlaubstage anzusparen und von Jahr zu Jahr mitzuschleppen ist einer Erholung halt nicht zuträglich.
Was sagt das Bundesarbeitsgericht (BAG)?
In einem Grundsatzurteil hat das Bundesarbeitsgericht mittlerweile eine Entscheidung getroffen. Hier heißt es, dass eine Übertragung von Resturlaub in das Folgejahr unter bestimmten Voraussetzungen dennoch in Betracht kommen kann.
Wann erfolgt die Urlaubsübertragung in das Folgejahr?
Die Urlaubsübertragung in das Folgejahr ist nur dann möglich, wenn aus dringenden persönlichen oder dringenden betrieblichen Gründen der Arbeitnehmer seinen Urlaubsanspruch nicht aufbrauchen konnte.
Beispiele für „dringende persönliche Gründe“ wären demnach:
• Arbeitsunfähige Erkrankung des Arbeitnehmers
• Pflege aufgrund einer Erkrankung eines Angehörigen durch den Arbeitnehmer
• Oder die Lebenspartner mit denen der Urlaub verbracht werden sollte, sind erkrankt
Beispiele für „dringende betriebliche Gründe“ sind:
• Aufträge, die termingerecht oder saisongebunden fertiggestellt werden müssen
• Probleme innerhalb des technischen oder verwaltungsmäßigen Betriebsablaufes
Verschiebung Urlaubsanspruch in das Folgejahr mit Grund (siehe oben)
Liegt einer der vorgenannten Verhinderungsgründe für den Urlaubsantritt vor, verschiebt sich der Resturlaub zum Jahresende automatisch in das nächste Jahr. Aber Achtung! Der Urlaubsanspruch aus dem Vorjahr besteht dann auch nur bis zum 31. März des Folgejahres. Hiernach verfällt auch dieser Resturlaub.
Urlaubsverfall zum Stichtag 31. Dezember bzw. 31. März
Hat der Arbeitnehmer seinen Jahresurlaub nicht bis zum 31. Dezember, bzw. bei Übertragung bis spätestens zum 31. März in Anspruch genommen, so verfällt er nach dem BUrlG ersatzlos. Allerdings gilt dies nur noch eingeschränkt. Hier gelten strenge Voraussetzungen, damit der Jahresurlaub nach den Stichtagen ersatzlos verfällt. Der Arbeitgeber hat im Rahmen seiner Fürsorgepflicht sogar eine Mitwirkungspflicht, damit der Arbeitnehmer seinen Urlaub wahrnimmt.
Mitwirkungspflicht bzw. Hinweispflicht des Arbeitgebers
Damit zu den benannten Stichtagen der Urlaubsanspruch ersatzlos verfällt, muss der Arbeitgeber nachweisen können, dass er den Arbeitnehmer schriftlich auf seinen noch bestehenden Urlaubsanspruch hingewiesen hat. Er ist dazu verpflichtet, den Arbeitnehmer darauf hinzuweisen, dass der Urlaub bis zu den Stichtagen in vollem Umfang zu nehmen ist, widrigenfalls erlischt der Urlaubsanspruch nach Ablauf des Urlaubsjahres bzw. des Übertragungszeitraumes nicht automatisch.
Die Beweislast, den Arbeitnehmer auf den Urlaubsanspruch hingewiesen zu haben, trägt der Arbeitgeber.
Der EuGH zum Urlaubsverfall und zur Verjährung
Das Bundesarbeitsgericht hat in dieser Frage den Europäischen Gerichtshof (EuGH) zur möglichen Verjährung von Urlaubsansprüchen befragt. Der EuGH sollte zunächst klären, ob es mit dem Europarecht vereinbar ist, dass der Verfall des bezahlten Jahresurlaubs der Verjährung (Verjährungsfrist demnach wären 3 Jahre) nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (§§ 194 ff. BGB), unterliegt. Bislang spielte die gesetzliche Verjährungsfrist keine Rolle, da bislang der Urlaubsanspruch bereits vorher verfiel.
Nach den Vorgaben des EuGH verfällt der Urlaubsanspruch nach der neueren BAG-Rechtsprechung nur noch dann, wenn der Arbeitgeber auf den drohenden Verfall schriftlich aufmerksam gemacht hat.
Im Urteil des Europäischen Gerichtshof (EuGH, Urteil vom 22.09.2022 – C-120/21) wurde darauf hingewiesen, dass der Anspruch von Arbeitnehmern auf bezahlten Urlaub grundsätzlich der gesetzlichen Verjährungsfrist von 3 Jahren unterliegen könnte. Allerdings müssten die Arbeitgeber nach dem Unionsrecht dafür Sorge tragen, dass der Arbeitnehmer seinen Urlaubsanspruch auch wahrnimmt.
Im vorliegenden Fall ist der Arbeitgeber seiner Hinweispflicht nicht nachgekommen. Daher unterlag der Anspruch auf bezahlten Urlaub auch nicht der Einrede der Verjährung.
Urlaubsanspruch bei Krankheit bzw. Arbeitsunfähigkeit
Natürlich ist ein erkrankter Arbeitnehmer nicht in der Lage seinen Urlaub zu nehmen. Von daher bleibt der Urlaubsanspruch zunächst auch erhalten. Problematisch wird es allerdings, wenn der Arbeitnehmer dauerhaft bzw. langfristig erkrankt ist und nicht in der Lage ist, seinen Jahresurlaub innerhalb des Jahres und der Übertragungszeit, also innerhalb der 15 Monate, in Anspruch zu nehmen. Hier könnten sich die Urlaubstage Jahr für Jahr ins Unermessliche addieren. Hier legte der EuGH und im Anschluss der BAG eine Grenze fest.
Urlaubsverfall bei Langzeiterkrankung von 15 Monaten
Ist der Arbeitnehmer langzeiterkrankt und aus diesem Grund nicht in der Lage innerhalb der 15 Monate seinen Jahresurlaub zu nehmen, so verfällt dieser ersatzlos. Allerdings gilt auch hier die Hinweispflicht des Arbeitgebers. Ist der Arbeitgeber seiner Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen, so dürfen Urlaubstage in dem Urlaubsjahr, in dem der Arbeitnehmer auch tatsächlich gearbeitet hat und hiernach erkrankte, nicht verfallen.
Urlaubsanspruch, Übertragung und Verfall mit Tarifvertrag
Unabhängig des gesetzlichen Mindesturlaubsanspruchs dürfen Arbeits- oder Tarifparteien den übersteigenden Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsanspruch frei regeln. Hier könnte eine tarifliche Übertragung des Urlaubs auf das erste Quartal des Folgejahres ohne das Vorliegen besonderer Gründe vertraglich festgelegt werden. Auch kann der Verfall von Resturlaub oder dessen Abgeltung bei Vertragsauflösung ebenfalls mit einer ausdrücklichen Regelung vereinbart werden.
Der Anwalt rät:
Grundsätzlich lassen sich in diesem Blog immer nur die gesetzlichen Grundlagen aufzeigen und erläutern. Im Einzelfall gilt es natürlich immer zu prüfen, auf welcher Grundlage der Urlaubsanspruch im konkreten Fall geregelt ist.
Hierfür steht Ihnen Rechtsanwalt Baumbach in seiner Kanzlei in Mönchengladbach gerne zur Verfügung.