Druckkündigung – Mitarbeiter fordern Kündigung

Druckkündigung im Arbeitsrecht
(c) Rechtsanwalt Baumbach Mönchengladbach

Kann der Arbeitgeber zur Kündigung gezwungen werden?

Für eine außerordentliche Kündigung benötigen sowohl Arbeitgeber wie auch Arbeitnehmer nach § 626 Abs. 1 BGB einen „wichtigen Grund“. Im Einzelfall ist allerdings zu prüfen, ob auch tatsächlich ein solch besonders schwerwiegender Grund vorliegt, der eine fristlose Kündigung rechtfertigt.

Hierzu heißt es im Leitsatz des Urteils des Arbeitsgerichts Nordhausen vom 13.07.2022 – 2 Ca 199/22:

„Im Fall einer sog. echten Druckkündigung aufgrund Eigenkündigungsandrohungen einer Vielzahl von Mitarbeiter/innen hat sich der Arbeitgeber grundsätzlich auch dann schützend vor den Arbeitnehmer zu stellen und zu versuchen die Drohung abzuwenden, wenn es zeitlich vor den Eigenkündigungsandrohungen Gespräche und Mediationen wegen eines Konflikts mit dem betroffenen Arbeitnehmer gegeben hat.“

Was ist eine Druckkündigung?

Das Urteil des ArbG Nordhausen hat sich ausführlich mit dem Thema der Druckkündigung auseinandergesetzt. Aber was heißt das jetzt genau?

Von einer „echten Druckkündigung“ wird gesprochen, wenn Dritte mit gravierenden Nachteilen für den Arbeitgeber drohen. Beispielsweise wenn von diesem gefordert wird, dass ein bestimmter Arbeitnehmer entlassen werden soll. Damit eine solche Kündigung des Arbeitgebers auch als „echte Druckkündigung“ rechtwirksam wird, sind zuvor strenge Anforderungen zu erfüllen. Grundsätzlich hat sich der Arbeitgeber schützend vor seinen Arbeitnehmer zu stellen.

Hierzu sei nur mal kurz das Stichwort „Mobbing“ erwähnt. Es darf nicht sein, dass sich ein „Rudel“ Arbeitnehmer zusammenrottet und vom Arbeitgeber verlangt, einen Kollegen vor die Türe zu setzen. Die Drohung „Kündigung oder wir streiken“, beispielsweise darf nicht der alleinige Grund sein, nur damit eine außerordentliche (fristlose) Kündigung wirksam wird.

Pflichten des Arbeitgebers

Der Arbeitgeber hat also alles dafür zu tun, um die Arbeitnehmer zu schützen. Dies gilt für alle. Hier müssen insofern alle in Betracht kommenden Mittel vom Arbeitgeber genutzt werden, um Drohungen Dritter abzuwenden. Nur für den Fall, dass die Drohung nicht abgewendet werden kann, könnte eine Kündigung sozial gerechtfertigt sein. Das ist beispielsweise der Fall, wenn aus der Drohung ernst gemacht wird und mit hohen wirtschaftlichen Schäden gerechnet werden muss.

Voraussetzung hierfür ist, dass die Kündigung die ausschließlich einzig in Betracht kommende Möglichkeit für die Abwendung von Schäden darstellt. Auch ist zu berücksichtigen, inwieweit sich der Arbeitgeber an der Drucksituation beteiligt hat. Zum Beispiel durch Ignorieren von Unzufriedenheiten oder selbst zu hohe Anforderungen gestellt hat.

Urteil Arbeitsgerichts Nordhausen vom 13.07.2022 – 2 Ca 199/22

Zum Sachverhalt

Die Klägerin arbeitet seit dem 01.05.2002 für die Beklagte erst als Heilpädagogin, dann als Erzieherin und ab 2017 als Leiterin einer Kindertagesstätte (KiTa).
2018 wurden in der KiTa zur Teambildung Supervisionen als Gruppensupervision und auch zusätzlich als Einzelsupervision mit der Klägerin eingeführt.

Beim Bürgermeister der Beklagten haben sich sodann Mitarbeiter/innen im September 2021 über die Klägerin beschwert, deren Führungsstil in der Kritik stand, wie auch ein angeblich respektloser Umgang, teils von oben herab mit den Mitarbeiter/innen. Sie soll sich zudem nicht an die Arbeitszeiten halten, teilweise zu spät kommen, keine Arbeitszeitnachweise führen, sowie private Dinge während der Arbeitszeit erledigen.

Die Urlaubsplanung wurde durch die Klägerin starr gehandhabt, allerdings für sich selbst flexibel gestaltet. Hierauf angesprochen zeigte sie sich uneinsichtig und ohne Selbstreflexion.
Ferner tätige sie Anrufe bei erkrankten Kollegen und Kolleginnen zu Hause. Vorschläge der Mitarbeiter/innen würden generell abgelehnt. Auch müssten die Mitarbeiter/innen ohne dienstliche Notwendigkeit Minusstunden leisten, wobei das Zurückführen der Minusstunden durch die Klägerin erschwert werden würde.

Das Personalgespräch

Die Beklagte hat aufgrund der Beschwerden die Klägerin mit zwei Mitarbeiterinnen und einem Mitglied des Personalrates zum Gespräch gebeten. Hier wurde insbesondere der Punkt „Minusstunden“ und die Nichterbringung von Gruppenarbeit durch die Klägerin thematisiert.

Im Anschluss fand zwei Monate später ein Team-Workshop statt, bei dem eine Struktur, sowie Regeln für die künftige Zusammenarbeit festgelegt wurden.
Auch fand ein Mediationstermin weitere zwei Monate später statt. Dieser wurde allerdings nach einer halben Stunde abgebrochen, da die Klägerin arbeitsunfähig erkrankte. Die Beklagte stellte die Klägerin sodann unter Fortzahlung der Vergütung frei.

Der Fragebogen

Während die Klägerin freigestellt war, entwarf die Beklagte einen Fragebogen für sämtliche Mitarbeiter/innen der KiTa mit folgenden Fragen:

„(…)
• In Anbetracht der vorangegangenen Konflikte möchten wir Sie bitten das Fehlverhalten von Frau … zu benennen.
• Wir bitten Sie aufzuführen, ob Sie sich eine Fortsetzung der Zusammenarbeit mit Frau …. vorstellen können. Bitte begründen Sie Ihre Entscheidung.
• Können Sie sich vorstellen, Frau …. beim Abstellen von Fehlern in der Einrichtungsleitung zu unterstützen?
• Was würde es für Sie und Ihre berufliche Zukunft bedeuten, wenn Frau …. erneut die Möglichkeit bekommen würde, Mängel in der Einrichtungsleitung abzustellen?
Hiermit versichern wird Ihnen, dass wir Ihre Angaben vertraulich behandeln.
(…).“

Die Auswertung

Die Fragebögen wurden sodann von der Beklagten ausgewertet und nach deren Angaben zeigte sich folgendes Bild:

  • Keine Schwierigkeiten mit der Klägerin – 1 Mitarbeiterin
  • extreme Störungen im Verhältnis zur Klägerin mit der Aussage, nicht mehr mit der Klägerin zusammen arbeiten zu wollen – 8 Mitarbeiter/innen
  • ausgesprochene Befürchtung selbst wieder zu erkranken, sofern die Klägerin verbleiben sollte – 1 Mitarbeiterin
  • Die Zusammenarbeit mit der Klägerin sei nicht mehr tragbar, bekundeten – 9 Mitarbeiter/innen

Von den letzteren 9 Mitarbeiter/innen haben 8 hiernach angegeben, dass für den Fall, dass die Klägerin in der Einrichtung verbleiben sollte, sie eine entsprechende Eigenkündigung einreichen würden. In einem Fall sei bereits eine Bewerbung erfolgt.

Der Zwiespalt des Arbeitgebers

Die Beklagte wertete die Androhung der Eigenkündigung und den hierdurch entstehenden Verlust von 8 Arbeitnehmern als massive Drohung von erheblichen Schäden. So wäre die Beklagte nicht mehr in der Lage gewesen, den gesetzlichen Anspruch der Bürger auf eine Kinderbetreuung ab dem vollendenten 1. Lebensjahr bis zum Schuleintritt zu gewährleisten. Hierdurch wäre mit Schadenersatzansprüchen derjenigen Eltern, deren Kinder nicht mehr betreut werden könnten, zu rechnen gewesen.

Da die Leiterinnenstellen in anderen KiTa’s nicht alle gleich bewertet sind, entfiel die Möglichkeit die Klägerin in eine andere Einrichtung zu versetzen. Zudem befürchtete die Beklagte, dass eine Verhaltensänderung der Klägerin nicht zu erwarten sei, wie die erfolglose Durchführung von Supervisionen, (Team-) Gesprächen und Mediationsverfahren gezeigt hätten. Hier wäre nach Auffassung der Beklagten das Problem nur verschoben worden.

Die Beklagte kündigte mit Schreiben vom 14.03.2022 das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin außerordentlich fristlos, hilfsweise zum nächstmöglichen Zeitpunkt. nachdem der Klägerin am 02.03.2022 die Stellungnahmen aller Mitarbeiter/innen vorgelegt wurde.

Gegen die Kündigung legte die Klägerin die Kündigungsschutzklage ein. Diese war erfolgreich.

Die Entscheidung des Arbeitsgerichts

Das Arbeitsgericht sah keinen wichtigen Grund im Sinne des § 626 I BGB, noch einen Kündigungsgrund im Sinne des § 1 II KSchG gegeben. Zudem seien die Voraussetzungen einer echten Druckkündigung vorliegend nicht gegeben.

Das Arbeitsgericht warf der Beklagten vor, keinen Versuch unternommen zu haben, sich schützend vor die Klägerin zu stellen, nachdem mit Eigenkündigungsdrohungen an die Beklagte herangetreten wurde.

Insbesondere sei nach dem abgebrochenen Mediationsgespräch am 17.01.2022, nachdem eine nicht näher benannte Anzahl an Mitarbeiter/innen mit Eigenkündigungen gedroht haben sollen, die Umfrage durch die Beklagte veranlasst worden. Die Kammer konnte hierbei nicht ausschließen, dass erst durch den Fragebogen die Motivation entstanden sei, dass Mitarbeiter/innen ebenfalls mit Eigenkündigung drohten, insbesondere, da die Beklagte explizit die Frage stellt, was es für die berufliche Zukunft des Mitarbeiters bedeuten würde, wenn die Klägerin in der Einrichtung verbleiben würde. Hier sei schon zweifelhaft, ob die gleiche Anzahl an Drohungen mit Eigenkündigung auch ohne den Fragebogen erfolgt wäre.

Die Beklagte hätte zudem aus Sicht der Kammer vorrangig zu milderen Mitteln greifen müssen, als zu einer fristlosen oder fristgemäßen Betriebskündigung. Beispielsweise hätte die Beklagte eine Änderungskündigung aussprechen können. Selbst wenn die Beklagte befürchtete, dass die Versetzung der Klägerin auch an eine andere Kita-Einrichtung als Kita-Leiterin weiterhin zu Problemen geführt hätte, so hätte mit einer Änderungskündigung die Klägerin auch wieder als Erzieherin oder als Heilpädagogin arbeiten können. Fehlende freie Arbeitsplätze wurden von der Beklagten zudem nicht angeführt.

Wir raten:

Für den Arbeitgeber kann eine Druckkündigung unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und auch nur in ganz bestimmten Situationen eine wichtige arbeitgeberseitige Gestaltungsoption sein. Bis dahin sollten aber alle weiteren Möglichkeiten ausgeschöpft sein. Welche das sind und welche in Frage kommen gilt es im Einzelfall zu prüfen.
Gerne bieten wir Ihnen unsere Unterstützung an und beraten Sie in Ihrer individuellen arbeitsrechlichen Situation.

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